Themenblock: »Forschungsarbeiten«
Referent_in: Catalina Körner
Tag/Zeit: Freitag, 14.9.2012, 10:30–12:00 Uhr
Auseinandersetzungsprozesse mit NS-Täter*innenschaft im familiären Kontext
Die deutsche Gesellschaft bestand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem maßgeblichen Teil aus Nazi-Täter*innen. Als Eltern, Großeltern, Lehrer*innen, politische Akteur*innen, Beamt*innen oder Kulturschaffende haben sie bis über die 1970er Jahre hinaus den Diskurs über den und die Darstellungsformen des NS in familiären Zusammenhängen, Politik, Kultur, Wissenschaft und Bildung wesentlich geprägt und gestaltet. Aus psychologischer Sicht stellt sich die Frage, welche subjektive Funktionalität die durch Tradierung teils immer noch aktuellen Narrative in der Gegenwartsgesellschaft erfüllen und wie Subjekte sich darin bewusst (anders) verhalten können oder alternative Denk- und Deutungsformen entwickeln.
Ich möchte meine laufende Diplomarbeit vorstellen, in der versucht wird konkrete Handlungsmöglichkeiten und -behinderungen im Umgang mit NS-Täter*innen innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft aufzuzeigen. Anhand qualitativer Interviews mit Angehörigen der Enkel*innen-Generation werden deren Erfahrungen in Auseinandersetzungsprozessen mit den Taten der Großeltern und ihren narrativen Erscheinungsformen im familiären Kontext beleuchtet. Wie wird die eigene Rolle während des NS durch die Akteur*innen gegenüber den nachfolgenden Generationen dargestellt und reflektiert? Wie werden die Erzählungen von jenen rezipiert? Welche Möglichkeiten eines konstruktiven Umgangs im intersubjektiven Austausch zeigen sich für die Interviewten und wie setzen sie diesen in Zusammenhang mit einer kritischen Betrachtung des eigenen Gewordenseins innerhalb der post-faschistischen deutschen Gesellschaft? Abschließend möchte ich die Frage diskutieren, wie sich das kritisch-psychologische Verständnis des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft in aktuelle Faschismusanalysen integrieren lässt, um daraus ggf. Impulse für eine progressive Erinnerungspolitik zu gewinnen.